Begleiten statt Bekehren (2/19)
Wie die Seelsorge das Jahresthema versteht
Hat das Jahresthema „Living Hope – Glauben leben. Hoffnung wecken.“ überhaupt irgendetwas mit unserem Bereich, dem Seelsorgebereich, zu tun? Diese Frage stellte ich mir schon zu Beginn des Jahres. Mein erster Gedanke war – nein, hat es wohl nicht, da für mich das Jahresthema mit dem Wort „Evangelisation bzw. evangelisieren“ besetzt war! Als wir dann angefragt wurden auf dem Willo einen Workshop anzubieten, setzte ich mich aber doch intensiver mit dem Thema auseinander. Dabei habe ich mich an eine meiner Lieblingsgeschichten erinnert. Es ist die Begegnung des kleinen Prinzen mit dem Fuchs:
Antoine de Saint-Exupéry: Der kleine Prinz.
Da erschien plötzlich der Fuchs. »Wer bist du?«, fragte der kleine Prinz. »Du bist sehr hübsch …« »Ich bin ein Fuchs«, sagte der Fuchs. »Komm und spiel mit mir«, schlug der kleine Prinz vor. »Ich bin so traurig …« »Ich kann nicht mit dir spielen«, sagte der Fuchs. »Ich bin nicht gezähmt.« »Ah! Verzeihung«, sagte der kleine Prinz. Nachdem er kurz überlegt hatte, fügte er hinzu: »Was bedeutet ›zähmen‹?« … »Das wird oft ganz vernachlässigt«, sagte der Fuchs. »Es bedeutet ›sich vertraut miteinander machen‹.«
Sich vertraut miteinander machen! Ich denke darin liegt ein Schlüssel. Dem anderen zu begegnen, zuzuhören, da zu sein, Meinungen, andere Sichtweisen stehen zu lassen, nicht auf alle Fragen eine Antwort zu haben, Not und Verzweiflung mit auszuhalten, … Alles in allem ein Begleiten! Dabei ist es wichtig, aus welcher Motivation ich das tue. Sehe ich in dem anderen ein „Bekehrungsobjekt“? Oder den Menschen, den Freund oder die Freundin? Und was macht es mit mir, wenn der andere trotz all meiner Mühen und Extrameilen sich nicht für Jesus entscheidet? Darf sie/er das?
Living Hope – Glauben leben. Hoffnung wecken. Für mich persönlich bedeutet das, die Hoffnung nicht aufzugeben, für mich selber nicht und für andere nicht. Mein Leben mit Jesus zu leben, auf seine Impulse zu hören und dann danach zu handeln. Was unterschiedlich herausfordernd ist und immer wieder neu meine Bereitschaft braucht und mich manchmal ziemliche Überwindung kostet. Wesentlich für mich ist dabei, verbunden mit Jesus zu sein, seine Nähe zu suchen. Denn ich kann nur geben, was ich selber bekommen habe.
„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Verstand.“ Dies ist das größte und erste Gebot. Das zweite aber ist ihm gleich: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ (Matthäus 22, 37-39) Nur WENN ich selbst Gottes Liebe erlebt habe, wenn ich durch ihn und seine Liebe zu mir JA sagen kann, Heilung erlebt habe und mich selbst annehmen und lieben kann, DANN kann ich seine Liebe auch an andere weitergeben. Naja und dies geschieht unter anderem durch Seelsorge.
Ich selbst erfahre also Heilung, Wiederherstellung durch Seelsorge und bin danach bereit, das Erlebte weiterzugeben. Nicht aus einem Zwang, Druck oder einer Aufgabe, sondern weil es bestenfalls durch mein Leben sichtbar wird.
So komme ich zu dem Ergebnis. Seelsorge ist durchaus mit unserem Jahresthema verbunden und vielleicht heißt mein Ziel einfach Begleitung.
Sandra kam 2001 zu den Jesus Freaks, seit 2013 ist sie zusammen mit Ilona für den Seelsorgebereich verantwortlich.
Photo by Annie Spratt on Unsplash
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