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Jesus Freaks Chemnitz: Zwischen Familiengemeinde und Prosa (2/19)

Das Klingelschild „Jesus Freaks“ ist unscheinbar. Man muss schon genau hinsehen. Direkt über dem Tattoostudio, in der ersten Etage eines Altbauhauses, treffen wir uns sonntags um 16 Uhr in Chemnitz zum Gottesdienst. Die Kaffeemaschine blubbert, ein freundliches Hallo von denen, die schon da sind, es ist gemütlich. Wie das Klingelschild, so empfinden wir auch die Räume unspektakulär und praktisch. Außer Gottesdiensten veranstalten wir Planungs- und Orgatreffen unter dem Namen Teamdream. Mein Sohn sagt: „Mama, schreib, dass es in der Gemeinde den Raum mit dem Tischkicker gibt und einen Raum, in dem man seine Sorgen zu Gott beten kann.“

Im scheinbar kleinen und normalen Gemeindeleben der Jesus Freaks Chemnitz geschieht dennoch Großes. Seit dem letzten Herbst treffen sich die Teenager mit unserem Pastor in Ausbildung. Das ist Martin und eines der Wunder, die wir erleben. Martin hatte den Wunsch, am Bucer Seminar Theologie zu studieren. Er ist bei uns angestellt. Die Gemeinde und ein privater Freundeskreis finanzieren sein Studium. Oft denke ich, wir sind so wenige Jesus Freaks in Chemnitz, es „rockt“ nicht direkt. Wir wachsen zahlenmäßig weder sprunghaft nach oben, noch sterben wir aus. Und dann hat einer unserer Jungs den Wunsch, Pastor zu werden und zieht das durch. Respekt an den Herrn und an Martin.

Gemeinsam unterwegs sein

Es kommen immer wieder Menschen zu uns, die sich in anderen Gemeinden nicht zugehörig fühlen. Manche haben große seelische Wunden, manche bleiben länger, andere schauen kurz rein. Die Stories, wie wer zu uns findet, sind hörenswert. Insgesamt sind wir ca. 35 Erwachsene, plus 22 Kinder, davon 8 Teenager, zum Gottesdienst eher weniger. Unsere Baustellen sind die Kinderbetreuung, die Suche nach neuen Räumen und der Zwiespalt zwischen Aufbruch und Tradition. Anne, eine unserer Leiterinnen, beschreibt es so: „Charakteristisch finde ich ganz persönlich dieses Spannungsfeld zwischen einem großen Bedürfnis nach zuhause sein, Geborgenheit, Vertrautheit und Schutz und dem Wunsch, die Welt friedlicher und liebevoller zu machen, mitzureden, auch politisch Position zu beziehen, gegen Ausgrenzung und für die Liebe. Was uns auszeichnet ist das gemeinsam unterwegs sein unter unterschiedlichsten Bedingungen und ein weites Netzwerk.“

Aufbruch gibt es trotzdem. In Zusammenarbeit mit dem Timothy-Projekt starteten wir in unseren Räumen einen Leiterschaftskurs, der einmal monatlich stattfindet und gut angenommen wird. Seit kurzem haben wir sogar eine Homepage, die ganz ordentlich geworden ist. Der Knaller zum Schluss, unser Prosa-Projekt. Überraschend hatte Martin wilde neue Räume entdeckt, die wir mieten wollten. Da wir das als Gemeinde nicht alleine stemmen konnten, überlegten Martin und Mittli, wie man die Räume gemeinsam mit anderen Leuten nutzen könnte. Ihre Idee war PROSA: „Profanes“ ‒ Gewöhnliches, Alltägliches und „Sakrales“ ‒ heilig zu verbinden. Nach der Absage der neuen Räume wurde aus Prosa ein Gottesdienstprojekt. Wir wollen an normalen Orten Gottesdienste feiern, gemeinsam mit hiesigen Künstler*innen und Freun*innen, mit Essen und Möglichkeiten zu Seelsorge und Gebet. Am Ostermontag gibt es Prosa unter dem Titel „In Gottes Küche“. Das Wort Prosa bedeutet ursprünglich: „freie (nicht durch Reim, Rhythmik und Vers gebundene) Form der Sprache“. In diesem Sinne erlebe ich unsere Gemeinde suchend nach Freiheit, nicht gebunden an immer gleiche Formen, oft stolpernd und doch gemeinsam, mit Jesus in der Mitte unser Leben in Chemnitz gestaltend. Ach übrigens, wir haben einen Raum mit Tischkicker.


Conny Graf für die Jesus Freaks Chemnitz, die seit 2004 ihre Gemeinde sind. Obwohl sie inzwischen die 348. Bewohnerin eines kleines erzgebirgischen Waldhufendorfes geworden ist, mit Mann und Kindern und Leihhund.

Weiteres unter: www.jf-chemnitz.de



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