Das atlantische Gefühl der Ermattung
Das atlantische Gefühl der Ermattung
Atlas kämpfte nach Vorstellung der Alten Griechen nach der Entstehung der Erde zusammen mit anderen Titanen auf der Seite des Kronos gegen dessen Sohn Zeus. Nachdem Zeus diesen Kampf gewann, legte er Atlas eine unglaubliche Strafe auf: Er sollte fortan das Himmelsgewölbe auf seinen Schultern tragen, damit Himmel und Erde zukünftig auf Distanz gehalten werden konnten, um ein Aufeinanderprallen zu verhindern. Klingt komisch, ist aber so. Interessanterweise hat sich im Laufe der Kunstgeschichte die Darstellung des Atlas, der ja eigentlich nur das Himmelsgewölbe tragen sollte, dahingehend weiterentwickelt, dass er zunehmend als derjenige in Erscheinung trat, der nicht nur das Himmelsgewölbe, sondern den ganzen Globus, die ganze Last der Welt auf seinen Schultern zu tragen hatte.
Was haben wir mit Atlas zu tun?
Unser Jahresthema bei den Jesus Freaks ist ja das Thema „Nachfolge“. Alle überregionalen Angebote z.B. auf dem Educamp usw., kreisen um dieses Thema „Nachfolge“. Was bedeutet es, Jesus nachzufolgen? Was muss ich dafür aufgeben? Was bekomme ich dafür? Was bekommt die Welt dafür? Schaffe ich das überhaupt oder ist es eine so große Last, dass ich es nicht schaffe? Und was ist überhaupt das Ziel von Nachfolge?
Für mich ist das ein sehr herausforderndes Thema, das jedoch schlichtweg unumgehbar ist, wenn man sich weiterhin Christ nennen will. Die Bergpredigt spiegelt den ganzen Anspruch, den Jesus an uns stellt wieder. Und es ist glaube ich sehr deutlich, wie unbedingt dieser Anspruch Jesu an unser ganz persönliches Verhalten im Alltag und in jeder Situation unseres Lebens ist. Und dieser Anspruch setzt ethische Maßstäbe, die Gold wert sind.
Ich erlebe allerdings auch Tage, an denen ich mich so ähnlich wie Atlas fühle. Gold wiegt eben auch ne ganze Ecke was. Viele von uns kennen dieses Gefühl glaube ich. Woher es aber kommt, weiß man manchmal nicht so genau. Wir wachen morgens auf, nachdem uns wahlweise der Wecker oder unsere Kinder oder Haustiere aus dem Schlaf reißen. Wir waschen uns im Bad den Schlaf aus den Gliedern und schlingen uns schnell was in die Wampe, um nicht mit knurrendem Magen durch den arbeitsreichen Vormittag zu stolpern. Nebenbei checken wir noch unsere Benachrichtigungen auf Whatsapp, gmx und Co., stöbern noch einige Schlagzeilen aus diversen Newslettern durch und würgen uns dann solche Mitteilungen rein wie z.B.:
- 135 Tote bei Terroranschlag in Kabul,
- Beziehungsdrama in Beckendümpel: Mann ersticht Ehefrau aus Eifersucht,
- Verbraucherschutz zieht negative Bilanz – Keine Lösung im Dieselskandal in Sicht,
- Youtubestar Bibi kurz vor der Geburt,
- Humanitäre Katastrophe bahnt sich an – Erdbeben in Indonesien fordert immer mehr Tote jetzt spenden.
Und die klugen unter uns schlagen dann noch, bevor der Alltag so richtig ins Rollen kommt, das biblische Wort auf und lesen dann so etwas wie:
- Darum, solange wir noch Zeit haben, lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen. Gal 6,10“
- Wer da weiß Gutes zu tun, und tut’s nicht, dem ist’s Sünde.“ Jak 4,17
- Was ihr nun wollt, das euch die Menschen tun sollen, das tut auch ihnen.“ Mt 7,12
Es ist doch offensichtlich, dass wir, wenn wir diese biblischen Handlungsanweisungen vor dem Hintergrund aller Nöte dieser Welt auf uns wirken lassen, wir schnell ein solches atlantisches Gefühl der Ermattung entwickeln können.
Gottes Wort wird so schnell zur Überforderung, wenn man die täglichen Horrornachrichten mitbekommt. Und wenn ich an mich selbst den Anspruch stelle, dass ich alles Gute, das ich zu tun wüsste, auch tue, dann merke ich sehr schnell, wie ich an meine Grenzen stoße. „Ich schaffe das nicht. Mein ganzes Leben besteht aus Kompromissen.“ Ich merke dann bei jeder Entscheidung, die ich treffe oder getroffen habe, dass sie ein Kompromis war zwischen dem, was ich für Gottes Anspruch an mich halte und dem, was ich mit Anstrengung und manchmal enormer Selbstüberwindung gerade noch zustande bringe.
Wer unreflektiert und leichtfertig seinen Blick auf die Katastrophen und das Leid unserer Welt ziehen lässt, steht in der Gefahr, zu kapitulieren und vielleicht sogar den ethischen Anspruch Jesu an sein eigenes kleines Leben zu ignorieren. Ich stehe spürbar immer wieder in dieser Gefahr. Vielleicht geht es dir ja ähnlich. Dann sei gegrüßt! Du bist nicht allein.
Wir haben heute sehr viel mehr Gelegenheiten uns mit Meldungen über Chaos, Leid und belanglosem Mist aus der ganzen Welt zuzumüllen, als zu jeder anderen Epoche in der Geschichte der Menschheit. Und Angesichts der gigantischen Last, die sich vor allem durch die neuen Medien im Sekundentakt in unsere Gefühlswelt hineinbohren kann, wenn wir bspw. ein ertrunkenes Kind am Strand liegen sehen oder von Mitmenschen hören, die unsägliche Schrecken durchlebt haben, dann macht sich bei uns eine fassungslose Ohnmacht breit, dass sie alle Freude am Christusglauben zu ersticken droht. Kann ich Eltern ihr gestorbenes Kind wiedergeben? Kann ich Tsunamis aufhalten oder Erdbeben? Kann ich das? Wie gehe ich mit so einem atlantischen Gefühl der Ermattung um, so dass es mein Vertrauen in Christus nicht zerstört?
Wie kann ich damit umgehen?
Es gibt ein paar Punkte, die mir helfen. Sie lösen nicht alle Probleme, aber sie geben mir Lichtblicke und eine Art Anker, an dem ich mich festhalte, wenn es wieder schlimm wird:
1. Gott leidet mit
Als Johannes der Täufer Jesus sieht, bezeugt er: „Siehe, das ist das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt.“ Joh 1,29) Nicht Atlas soll die ganze Last der Welt tragen, nicht wir sollen die ganze Last der Welt tragen, sondern Christus, das Lamm Gottes trägt die Last der ganzen Welt!“ Dabei geht es nicht nur um meine und deine eigenen Sünden, sondern um die Sünden der ganzen Welt, des ganzen Kosmos. Nur mit diesem Christus an meiner Seite kann ich mich den Nöten und dem Leid dieser Welt stellen. Nur wenn ich glauben darf, dass ich nicht alle Last auf mich nehmen muss, traue ich mich, Leid anzusehen und es näher an mich heranzulassen und mitzuleiden. Gott schaut nicht weg vom Leid, sondern zieht sich das Leid an, ist im Leiden gegenwärtig. Mitleid ist ein Wesenszug Gottes. Die Lehre von der Inkarnation Gottes sagt genau das aus. Das heißt für mich, dass Gott auch in meinem Leid und in meinem Mitleid gegenwärtig ist. Und ich will lernen, das zu akzeptieren, auch wenn es sich alles andere als schön anfühlt, weil ich Gott dort finden kann.
2. Gott hat den (Zeit-)Plan
Ein Blick darauf, was Jesus bewegt hat, gibt mir Orientierung in den unzähligen Möglichkeiten, Gutes zu tun: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Der Sohn kann nichts von sich selber tun, sondern was er sieht den Vater tun; denn was dieser tut, das tut gleicherweise auch der Sohn. Der Vater aber hat den Sohn lieb und zeigt ihm alles, was er tut, und wird ihm noch größere Werke zeigen, daß ihr euch verwundern werdet.“ Joh 5,19
Jesus war ohne Sünde. So bezeugt es uns das biblische Wort. Nun gab es jedoch auch zur Zeit Jesu Leid und Nöte, die er nicht beseitigt hat. Beispiel hierfür ist der Kommentar des Judas bei Jesu Salbung, man könne doch das Geld für das teure Öl an die Armen verteilen. Wäre das nicht besser gewesen? Oder: Wenn er das Brot vermehrt hat für ein paar tausend Menschen, warum dann nicht gleich für alle Hungernden oder wenigstens für alle Hungernden in Israel? Ohne Sünde sein heißt wohl nicht, alles Leid zu beseitigen. Aber es heißt sehr wohl, das zu tun, was einem der Vater im Himmel zeigt.
Gott herrscht nach seinem eigenen Plan und er tut das offensichtlich zusammen mit Menschen, die ihm gehorchen. Das ist das Ziel meiner Nachfolge, gehorsam gegenüber Gottes Reden werden. Nicht um das als faule Ausrede dafür auszunutzen, wenn man mal keinen Bock hat, jemanden zu lieben oder Gutes zu tun. So nach dem Motto: Ja, „ich hab den Eindruck“, dass Gott gerade nicht will, dass ich spende oder meiner Frau treu bin oder die andere Wange hinhalte. Der Kanon heißt nicht umsonst Kanon, also Maßstab. Hier finden wir die Definition für eine gottgefällige Lebensweise und können damit erkennen, ob wir uns wirklich nach Gottes Reden sehnen. Also nicht als Ausrede, sondern als eine Art Priorisierung.
Jedesmal, wenn mich die Last unserer geplagten Welt erdrücken will, will ich mit Gott ins Gespräch kommen und ja! ich meine ins Gespräch kommen. Ich will keine Monologe führen, sondern möchte, dass Gott mir zeigt, was ich in diesen belasteten Momenten tun soll. Denn Gott kennt den perfekten Zeitpunkt, die Bibel spricht auch von dem kairos, um uns ganz konkrete und wirkmächtige Aufträge zu erteilen:
Als ein kleines Beispiel für die Tragweite gehorsamer Taten von Menschen sei hier Hananias erwähnt. (Apg 9,10-19) Hananias gehorchte dem, was er gehört hatte und Paulus trug das Evangelium in die Welt hinaus und schrieb fast die Hälfte des Neuen Testaments. Kleine gehorsame Tat → enorm große Wirkung.
3. Gott schafft eine vollendete Welt ohne Leid
Im Missionsbefehl bezeugt uns die Bibel, dass Jesus alle Macht und Autorität im Himmel und auf Erden innehat. Mir gibt das die Hoffnung, dass es jemanden gibt, der Eltern ihr gestorbenes Kind wiedergeben kann und dass es eine Welt geben kann, in der es keine Katastrophen und kein Leid mehr geben muss. In der der Tod nicht das letzte Wort haben wird, sondern der Heiland. Atlas ist eine Erfindung des Menschen, aber Jesus ist real!
Fragen zum Nachdenken
Kennst du auch das Gefühl, dass dir alles zu viel wird?
Trägst du vielleicht Lasten, die du gar nicht tragen sollst?
Hast du Leute um dich, die dir dabei helfen, Gottes Reden in deinem Leben wahrzunehmen und umzusetzen?
Vertraust du darauf, dass Gott dich frei machen und nicht erdrücken will?