Ein Plädoyer für Fehler (4/18)
„Wenn zu perfekt – Gott böse!“
So steht es auf einem Schild auf meines Chefs Schreibtisch. Ich bin nicht perfekt, niemand ist perfekt. Darum bekomme ich Widerspruch, sehr oft auch von mir selbst.
Diesen Widerspruch brauche ich aber. Wenn es nichts gibt, gegen das ich mich abstemmen kann, keinen Widerstand, kein Impuls von außen, kein Korrektiv kann ich nicht gut wachsen. Entweder wachse ich gar nicht oder im Wildwuchs. Wachstum ist Veränderung. Wenn es keinen Grund gibt, etwas zu ändern, wird auch nicht gewachsen.
Klar, Widerspruch, Widerstand, Korrektur, all das ist nicht angenehm. Es erinnert uns daran, dass wir nicht fehleranfällig, sondern auch fehlerhaft sind. Unfehlbarkeit ist allein Gottes Ding. Und wir versuchen darin, uns in sein Bild verwandeln zulassen. Und da ist es doof, immer wieder zu erkennen, dass wir da noch lange nicht sind. (Lass dich beruhigen, das werden wir in diesem Leben auch nicht mehr). Diese Wahrheit vergessen wir alle viel zu oft im Alltag. Ein demütiger Mensch lebt in diesem Bewusstsein, darum ist er weniger schnell zu verletzen durch Hinweise auf seine Fehler.
Fehler sind der Normalzustand
So gut wie jedes Coaching für Persönlichkeit, Sozialkompetenz, Selbstvermarktung oder auch erfolgreiches Präsentieren rät dir nicht ohne Grund, zu deinen Fehlern und Unzulänglichkeiten zu stehen, wenn du andere für dich gewinnen willst. Die anderen haben auch Fehler. Und sich darin mit ihnen zu solidarisieren schafft Sympathien; statt abgehoben den Perfekten vorzugaukeln und sie damit einzuschüchtern und einen unüberwindlichen
Graben zu ziehen. Irren ist menschlich. Und Menschlichkeit ist das Beste, was wir bieten können.
Auch anderen kostet es Kraft, mich zu korrigieren. Darum wird eine Person, der ich gleichgültig bin, sich nicht die Mühe machen, nach Fehlern zu suchen. Klar, wer etwas gegen mich hat, der sucht nach Fehlern, aber solchen Mitmenschen bin ich auch nicht gleichgültig. Wer mich jedoch schätzt, wem ich wertvoll bin, wird sich sogar die Mühe machen, mich konstruktiv und liebevoll auf Fehler hinzuweisen. Für solche Mühe und Überwindung sollten wir öfter mal Anerkennung zollen. Aber auch die andere Kritik sollten wir für uns nutzen – zum Wachstum – und sie damit ihrer zerstörerischen Kraft berauben. Selbst ungerechtfertigte Kritik kann mir immer noch helfen, indem ich daran meinen Standpunkt festige und untermauere.
Nicht nur andere weisen auf Fehler hin
Die demütige Haltung schützt mich davor, mich selbst für meine Fehler zu verdammen. Wie angedeutet, viel unserer Verletzlichkeit bei Korrektur basiert auf Vorwürfen und Ablehnung unserer selbst, die dadurch ausgelöst werden. Schlimm ist, wenn man selbst einen Fehler bei sich entdeckt und sich deswegen Vorwürfe macht. Dann braucht es eine Korrektur von außen, die Absolution, die uns sagt, dass die Verdammung falsch und unnötig ist. Das können wir meist nicht selbst. Dietrich Bonhoeffer schrieb dazu:
„Der Christus im eigenen Herzen ist schwächer als der Christus im Worte des Bruders; jener ist ungewiss, dieser ist gewiss.“
und schließt damit auch Schwestern mit ein. Wenn du dich selbst runter machst, wegen eines Fehlers oder so, lass dir sagen: Es ist okay. Für Gott ist es okay, dass du Fehler machst. Wäre es nicht so, hätte er Jesus umsonst zur Vergebung abschlachten lassen. Er weiß, wie seine Kinder sind. Und wenn es für Gott in Ordnung ist, wer bist du, dass du dich selbst verdammst?
Also was ich dir mitgeben will, mein zugeneigter Leser, meine aufmerksame Leserin: Sei dir bewusst, dass du noch auf dem Weg bist und dass Perfektion für dich nicht realistisch ist!
Und darum:
1. Steh dazu, dass du nicht perfekt bist, denn alles andere wäre seltsam.
2. Sei gnädig mit dir selbst. Gott ist auch gnädig mit dir.
3. Sei dankbar für Korrekturen, denn sie helfen dir besser zu werden und zu wachsen.
Dennis Michalke (43), Wahlhamburger, Christ aus Berufung. Als Sozialarbeiter muss er Klienten oft klarmachen, mit sich selbst gnädiger zu sein und unvermeintliche Kritik als positiven Antrieb zu nutzen.
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