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Ein Jahr voller Hoffnung (3/2020)

Wenn alle denken, jetzt ist es aus und vorbei, fängt Gott erst an.

Zur Hoffnung kann man sich nicht zwingen. Das ist die schlechte Nachricht gleich vorweg. Man kann Hoffnung nicht herstellen und man kann sie auch nicht festhalten, wenn sie sich gerade leise oder mit sehr viel Drama verabschiedet hat. Hoffnung ist ein Geschenk. Deshalb wird sie von Paulus auch in einem Atemzug mit Glaube und Liebe genannt (1. Korinther 13): Das Wesentliche ist unverfügbar.

Kommen wir zur guten Nachricht: Du musst dich auch nicht zur Hoffnung zwingen. Du musst sie nicht herstellen und du musst sie nicht krampfhaft festhalten. Das Wesentliche hängt nicht von dir ab – du bekommst es geschenkt. Das ist das Verrückte an unserem Glauben: Der Grund für unsere Hoffnung besteht in dem, was ein anderer getan hat, nämlich Gott. 

In diesem Artikel erzähle ich dir etwas davon und ich vertraue darauf, dass Gottes Geist (zu dem kommen wir noch) die Botschaft in dir lebendig werden lässt. Ich nutze dafür einige Feste im Kirchenjahr, durch die ich mich selbst gern an Glaube, Hoffnung und Liebe erinnern lasse. Los geht’s.

Advent: Ein Gott, der anklopft

Gott kündigt sich an. Gott ist kein abstraktes Wesen, weit weg von Zeit und Raum. Gott nimmt Kontakt mit Maria auf, einem einfachen Menschen auf dieser Welt. Gott sagt: Zu dir will ich kommen. Nimmst du mich auf?

Weihnachten: Ein Gott, der ein Gesicht hat

Gott wird Mensch und lässt sich ein auf unser ganzes Schlamassel. Gott kommt in Jesus in einem stinkenden Stall auf die Welt, vielleicht stellen wir uns besser eines dieser Zelte auf Lesbos vor, die wir gerade immer wieder in den Nachrichten sehen. Gott, der Schöpfer des Universums, der Ewige, der Unendliche – er legt sich fest. Er tritt hinein in die Geschichte. Hinein in die Welt, an einen bestimmten Ort, zu ganz bestimmten realen Menschen. Er wird greifbar, fassbar. Er ist nicht mehr nur der verborgene Gott, der Ferne, der Unnahbare – sondern ein Gott, der sich zeigt und ganz nah an uns herankommt. Ein Gott, der ein Gesicht hat. Der eine Gestalt annimmt. Und das nicht in Form einer Lichtgestalt oder als Engel, sondern als eines seiner eigenen Geschöpfe: Gott wird Mensch.

Ein Leben in 14 Zeilen

Im Kirchenjahr springen wir sehr schnell von Weihnachten zu Ostern. Jesus wird geboren und stirbt. Was dazwischen liegt, geht in Neujahrstrubel und Kamellewerfen schnell unter. Darum hier der Versuch einer Kurzversion, ein Leben in 14 Zeilen: Jesus lebt im Nahen Osten ein bescheidenes und doch aufmerksamkeitserregendes Leben. Für viele wird er zur Hoffnungsfigur auf einen Umsturz der politischen Verhältnisse. Sie spüren: Dieser Mensch ist etwas Besonderes. Er hat keine Angst vor Grenzen. Er befreundet sich und feiert mit Menschen, die aus Sicht der Mitte der Gesellschaft nicht viel wert sind, die kein Geld haben, kein Ansehen, keine Gesundheit. Er erzählt Geschichten, die die Menschen verstören und ins Nachdenken bringen. Und er hat eine Botschaft: Liebt einander. Liebt Gott, liebt euch selbst, liebt eure Nächsten, liebt eure Feinde. Er spricht vom Reich Gottes, das durch diese Liebe schon hier und heute beginnt. Das Reich Gottes ist eine neue, andere Wirklichkeit, so etwas wie eine andere Dimension, die unsere nach und nach durchdringen wird. 

Karfreitag: Ein Gott, der leidet

Doch mit dem Sieg der Liebe sieht es erstmal mau aus. Jesus wird von einem seiner engsten Freunde verraten und stirbt so grausam wie banal am Kreuz. Diesem Scheitern sehen wir an Karfreitag ins Gesicht. Kein Triumphzug, keine Revolution. Statt Feindesliebe behauptet sich eine Welt, die die Feinde lieber platt macht. Karfreitag ist der Tiefpunkt der Geschichte. Ich habe keinen Zweifel daran, dass dieser Tag für seine Anhänger:innen der wohl dunkelste ever war. Ihre Hoffnung nimmt ein jähes Ende. Ein Tag aus der Hölle! Und dennoch gibt mir der Kreuzestod Jesu so viel an Glaube, Liebe und Hoffnung wie kaum etwas anderes. Unser Gott weicht dem Tod nicht aus. Er leidet an Ungerechtigkeit, Korruption und Unterdrückung in dieser Welt am Ende so sehr, dass er daran stirbt. Für mich persönlich bedeutet das: Ich habe in Jesus einen Gott, der das Leiden mit mir aushält und der mit mir und für mich durch die Hölle geht.

Ostern: Ein Gott, der überwindet

Warum kann ich das glauben? Warum hat das überhaupt etwas mit mir zu tun? Mein Glaube kommt aus der Auferstehung. Der Tod hat nicht das letzte Wort. Einmal Hölle und zurück. Das ist das Besondere an unserem Glauben: Wenn alle denken, jetzt ist es aus und vorbei, fängt Gott erst an. Jesus überwindet den Tod. Dass wir das glauben, ist ziemlich abgefahren. Es stellt alle unsere Kausalitätsketten auf den Kopf. Nicht die Vergangenheit entscheidet über die Zukunft, sondern Gottes Superpower. Insofern verkörpert Jesus hier seine eigene zentrale Botschaft – die Vergebung. Vergebung bedeutet nämlich, der Vergangenheit die Macht zu nehmen, über die Zukunft zu entscheiden. Den Dämonen Einhalt zu gebieten. Immer wieder spricht Jesus Menschen Vergebung von Sünde und Schuld zu und fordert sie auf, auch einander zu vergeben. 

Himmelfahrt und Pfingsten: Superpower für alle

Vielleicht geht es dir wie mir, wenn ich hier mal festhalte: WTF! Den Nächsten lieben, die Feinde lieben, einander vergeben? Das ist schön und bewundernswert, aber für mich nicht machbar. Ich scheitere jeden Tag daran. Und deshalb bin ich so froh und dankbar über Himmelfahrt und Pfingsten. Gott behält die Superpower der Auferstehung nicht für sich. “Denn wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand [= der Geist] nicht zu euch kommen; gehe ich aber, so werde ich ihn zu euch senden” (Johannes 16,7), sagt Jesus vor seiner Himmelfahrt. Und dann geht er und schickt allen seinen Geist. Juden und Heiden, Alten und Jungen, Sklaven und Freien. Damit wir glauben, lieben und hoffen können. Das feiern wir an Pfingsten. 

Ewigkeitssonntag: Wie soll das nur alles enden? 

Das letzte Fest im Kirchenjahr findet sich im trüben, kalten November. Wir gedenken der Verstorbenen und erinnern uns dabei an Gottes Versprechen: Der Tod hat nicht das letzte Wort. Danach beginnt etwas Neues. Wir feiern die Hoffnung auf einen neuen Himmel und eine neue Erde. Auf göttliche Gerechtigkeit. (2. Petrus 3,13) Auf Heilung. Auf all das, was jetzt noch nicht ist, was wir aber so sehr brauchen. 

Kommt dir das weit weg vor? Wenn es mir so geht, dann bin ich sehr dankbar für zwei greifbare Rituale. Zum einen erinnere ich mich an meine Taufe. Wie das Wasser über meinem Kopf zusammenschwappte und ich wieder aus ihm herausgerissen wurde. Es ist ein Sinnbild dafür, dass ich durch den Glauben mit meinem ganzen Sein in den Tod und die Auferstehung Jesu hineingenommen bin. Ich gehöre zu Jesus.

Zum anderen liebe ich das Abendmahl. (Kein Wunder: Wenn alles nichts hilft und man auch nicht mehr weiter weiß, dann hilft halt ein gutes Essen.) Beim Abendmahl denke ich besonders an das Versprechen, das Jesus bei der letzten Feier seinen Jünger:innen gab: “Ich werde von nun an nicht mehr von diesem Gewächs des Weinstocks trinken bis an den Tag, an dem ich aufs Neue davon trinken werde mit euch in meines Vaters Reich.” (Matthäus 26,29) Darauf hebe ich mein Glas: Auf die Hoffnung!


Jaana Espenlaub (33) ist evangelische Theologin und lässt sich durch Kirchenjahr und Sakramente gern an das Wesentliche erinnern.

2 Kommentare

  1. Hi, Jaana,
    das ist eine super Zusammenfasung unseres Glaubens und holt mich direkt da ab, wo ich gerade wiedermal stehe. Nicht, dass ich keine Hoffnung habe. Aber sie kommt nicht von mir, sie ist immer wieder einfach da, wenn ich sie brauche. Ich frag mich nur manchmal, warum das bei anderen nicht so (gut ) funktioniert. Da bin ich dann sprachlos (im besten Fall).
    Danke für Deine Worte!

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